Über Nordische WM-Erlebnisse, Kraft-Akte und nicht gesichtete Rentiere
„Päädyin“ – Finnisch für „ich bin gelandet“. Die gute Landung wird auch in den nächsten zwei Wochen in einem anderen Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen. Vom Flughafen Helsinki geht es noch eine rund einstündige Autofahrt ins nordöstlich gelegene Lahti. Dort finden die Nordischen Weltmeisterschaften statt, insgesamt sind es die 51., für mich sind es immerhin auch schon die neunten.
Knapp 120.000 Einwohner hat Lahti – ein Traditionsort im Nordischen Skisport. Der Kampf um WM-Gold, -Silber und –Bronze im Skispringen, der Nordischen Kombination und im Langlauf kehrt gerade rechtzeitig an den Vesijärvi-See zurück: Finnland feiert 2017 sein 100-Jahr-Jubiläum, man hatte sich nach der Oktober-Revolution Russlands für unabhängig erklärt. Längst vorbei, aber nicht vergessen sind die Zeiten, als Finnland als Großfürstentum Teil des russischen Zarenreiches gewesen war.
Zum bereits siebenten Mal ist Lahti WM-Gastgeber der Nordischen und es war nicht immer ein sehr freundlicher Ort. Das habe ich auch selbst schon erlebt – vor 16 Jahren, als 2001 Temperaturen bis zu minus 25 Grad sogar zur Absage eines Langlauf-Bewerbs führten. Erfrierungen unter den Sportlern waren damals keine Seltenheit. Hinzu kommt der Wind, der an den Schanzen schon des Öfteren zum Abbruch geführt hat.
Doch dieses Mal ist alles anders: Keine einzige Verschiebung, das Wetter winterlich, aber in gesundem Rahmen. Dass hier die Straßen und Gehsteige nicht gesalzen werden, ist eine andere Geschichte. Und auch, dass sich die Finnen zumindest als Fußgänger streng an die Straßenregeln halten. Auch bei eisiger Kälte und wenn weit und breit kein Auto zu sehen ist, wird die Straße erst bei Grün überquert.
Die Skispringer werden den Teufel tun, und bei etwas anderem als grünem Licht und dem typischen Fahnenzeichen ihres Trainers vom „Zitterbalken“ wegzufahren. Stefan Kraft gelingt vom Balken bis zur Landung fast alles bei dieser WM perfekt. Der 23-jährige Salzburger hievt sich endgültig in die Ebene österreichischer Sportgrößen. Zunächst gewinnt der als größter rot-weiß-roter Medaillenanwärter nach Finnland gekommene Kraft Gold von der Normalschanze und Silber im Mixed, in der zweiten Woche kürt er sich auch vom großen Bakken zum Weltmeister und holte zum Abschluss auch noch Bronze mit dem Team.
Kraft ist damit der erste ÖSV-Adler überhaupt, der Einzel-WM-Gold von beiden Schanzen holt und schreibt also ein bisschen Sportgeschichte. Wenige Wochen nach Doppel-Gold durch Marcel Hirscher in St. Moritz gleicht Kraft im „Fernduell“ mit Österreichs Alpinstar also aus. Am Schluss-Wochenende legt Hirscher mit dem Gesamt-Weltcupsieg wieder vor, doch Kraft sollte es ihm im Saisonfinish bei den Skispringern später gleich tun. Und nachdem Dominic Thiem am ersten WM-Wochenende in Rio den Titel holt, gratuliert der Tennis-Star Kraft aus Brasilien per Instagram. Die beiden sind gleich alt und wollen sich demnächst auch persönlich kennenlernen.
Im Lager der Nordischen Kombinierer reist der einzige ÖSV-Titelverteidiger von 2015 immerhin mit Bronze ab. Bernhard Gruber holt mit den hoffnungsreichen Youngsters Mario Seidl, Philipp Orter und Paul Gerstgraser Team-Bronze. Der ÖSV-Nachwuchs in dieser Sparte lässt für die Heim-Weltmeisterschaften 2019 in Seefeld hoffen. Die Langlauf-Sparte bleibt freilich ohne Edelmetall, allerdings zeigt Teresa Stadlober mit den Rängen 6, 8 und 12, dass ihr Formaufbau in Richtung 2019 stimmt.
Zu den absoluten Topstars der WM werden der deutsche Kombinierer Johannes Rydzek und die norwegische Langlauf-Legende Marit Björgen mit je vier Mal Gold. Die 36-Jährige ist auch nach ihrer Babypause sehr stark und hat nun schon 18 (!) WM-Goldene gesammelt.
Rentiere und Elche habe ich keine gesichtet, zumindest nicht in lebender Form. Rentier-Suppe, -Eintöpfe, -Felle oder kleine Magneten aus Rentier-Geweihen werden hier aber ebenso verkauft, wie „Norweger“-Pullover und Messer mit geschnitzten Holzschäften. Bei so einem kleinen Magneten schlage ich zu: es ist mir zur Tradition geworden, von Auslandstrips dieses kleine Utensil für den Kühlschrank zu Hause mitzubringen.
Ein großer Freund der Sprache dieses Landes werde ich nicht mehr werden. Allein die Länge vieler Worte lässt einen erschaudern, auch der Klang lässt wenig Assoziationen zu Romantik aufkommen.
Doch das mag auch für Koreanisch gelten: Noch vor der Heim-WM in zwei Jahren kämpfen wieder alle Wintersportler um Olympia-Medaillen. Pyeongchang – nur knapp 90 km von der Grenze Nordkoreas entfernt – ist Schauplatz der Spiele. Spätestens von dort ist hier der nächste Bericht hier geplant.