Von Gondelfahrten, Kulissen, Interviews weit nach Mitternacht und der Kasai-Mania

Salt Lake City, Turin, Vancouver – und nun Russland. Die Erwartungen für meine vierten Olympischen Winterspiele waren nicht sehr hoch angesetzt. Die vielen negativen Meldungen, schon Monate vor Beginn der Spiele, sowohl über das umstrittene Anti-Homosexuellen-Gesetz als auch über Menschenrechtsverletzungen sowie Enteignungen in Sotschi machten es einem nicht leicht, sich auf dieses Sportfest zu freuen. Und natürlich die große Terrorbedrohung, die Sotschi und Krasnaja Poljana zu einem Hochsicherheitstrakt machen sollte. Hinzu kamen noch kurz vor der Abreise zu 22 Tagen voller Arbeit die ersten Meldungen von Kollegen über bei weitem noch nicht fertige Journalisten-Hotels und -Appartments. Arbeiter, die auch gegen 22.00 Uhr noch – ohne anzuklopfen – das nicht versperrbare, mit Staub überzogene Zimmer betreten, um etwa undichte Duschtassen zu reparieren. Twitter machte es möglich, dass ein weiterer medialer Sturm über die Spiele hereinbrach.

Ins Hotel schweben

1902048_260284254145441_2053036675_n[fusion_builder_container hundred_percent=Für all jene, die im 960 m hoch gelegenen Medien-Village untergebracht waren, gibt es weniger zu meckern. Allerdings erfolgt die Anreise dorthin ausschließlich mit einer rund achtminütigen Gondelfahrt. 24/7 sollte diese funktionieren, also rund um die Uhr. Dies hat sich später als unrichtig herausgestellt. Wenn es der Gondelaufsicht einfiel, ein Päuschen zu machen, dann musste man sich sein Recht, nach einem 16-Stunden-Tag ins Bett fallen zu wollen, erkämpfen. Einmal schaltete der nette Herr erst nach Intervention via Hotel die Gondel wieder ein. Dazwischen lagen 10 Minuten des Wartens in der verschlossenen Gondel.

Grundsätzlich fand ich es in der Folge aber charmant, dieses kleine „Berg-Hoteldorf“ wachsen zu sehen. Bei der nächsten nächtlichen Heimfahrt im Schwebezustand leuchtet einem plötzlich ein neues „Swissotel“-Schild entgegen. Etwa zehn Tage nach Ankunft öffnet eine Pizzeria, der Fernseher im Zimmer funktioniert endlich und nach zwei Drittel des Aufenthalts standen im Hotelgang rund 50 gleich aussehende Bilder. Zwei Tage später zierte eines davon mein Zimmer.

Weiters wird man darüber informiert, dass nun auch der hauseigene Pool eröffnet ist. Ich habe ihn nie gesehen, dafür blieb keine Zeit. Doch die Freundlichkeit der Menschen glich vieles aus, sie war unaufgesetzt und ehrlich.

IMG_2956Dass Bergdorf Krasnaja Poljana, das mich in den drei Wochen beherbergt, gleicht eher einer Kulissenstadt oder dem Designer-Outlet in Parndorf. Das wahre Krasnaja Poljana, abseits der pompösen Bauten, habe ich nur aus der Entfernung gesehen.

Die Sicherheits-Checks sind – wenn man diese von Flugreisen gewöhnt ist – erträglich – und zum Beispiel weniger intensiv also noch vor zwölf Jahren in Salt Lake City. Damals war 9/11 erst ein halbes Jahr vergangen und wir mussten beispielsweise bei minus 20 Grad unsere Laptops einschalten, um zu beweisen, dass es eben nur Laptops sind. Neu war hier nur, dass in den Medien-Shuttles die Akkreditierungen gescannt wurden und die Busse beim Schauplatz-Wechsel versiegelt wurden.

Besuch im Olympischen Dorf und Drohbrief

IMG_3135Gleich am zweiten Tag mein einziger Trip nach Sotschi, denn sonst werde ich meine Zeit nur in den Bergen verbringen: Besuch des Olympischen Dorfes, Besichtigung des noch fast leeren Hauses der Österreicher und ein paar Eindrücke sammeln. Doch kaum bin ich mit dieser Meldung fertig, erfolgt der Anruf. Es hat einen Drohbrief gegen zwei österreichische Sportlerinnen gegeben, Janine Flock ist eine davon. Hektische Stimmung auf dem Airport, die Sportlerin wird abgeschirmt, ÖOC-Generalsekretär Mennel beruhigt. Am nächsten Morgen bekomme ich die Möglichkeit zum Exklusiv-Interview mit Flock bereits im Eiskanal. Sie reagiert ruhig und besonnen, scheint nicht beunruhigt und versucht sich als österreichische Medaillenhoffnung auf ihren Skeleton-Bewerb zu konzentrieren.

177 steps to „heaven“

1912285_258485390991994_1589509397_n[1]Skispringen und Nordische Kombination finden im RusSki Gorki Jumping Center statt. Gnadenlos in den Berg hineingezimmert ist die Langlauf-Strecke der Kombis und auch die Hänge rund um die Schanzen müssen speziell gesichert werden, denn sie sind abrutschgefährdet. Ob es diese in zehn Jahren noch geben wird, wird angezweifelt. Zweifel kommen beim Blick auf das Pressezelt auf: Es liegt nicht etwa beim Auslauf der Schanze, sondern gezählte 177 Stufen weiter unten. Das macht bei einem Bewerb der Nordischen Kombination (auch der Langlauf endet im Auslaufbereich) sowie einem wie immer spätabendlichen Skisprung-Training 1.062 Stufen.

Rekord: 2:04 Uhr früh Abreise vom Stadion

Aus Rücksicht auf die europäischen Fans beginnen die Skisprung-Bewerbe erst um 21.30 Uhr Ortszeit – also um 18.30 Uhr MEZ. Weder für die Sportler, noch für Zuschauer angenehm. Und auch nicht für Journalisten. Als Thomas Morgenstern sein erstes Training nach seinem Comeback hinter sich gebracht hat, verlässt er nach den Interviews um 23.45 Uhr den Auslauf. Es sollte in der Folge noch später werden – am 15. Februar nach dem Großschanzen-Bewerb bin ich um 1:32 Uhr früh mit der Arbeit fertig. Dabei hat Österreich gar keine Medaille gewonnen. Die viel zu kleinen Shuttles kommen um diese Uhrzeit viel zu rar: Erst um 2:04 Uhr verlasse ich die Anlage – 12 Minuten ins große Pressezentrum, 10 Minuten Fußmarsch zur Gondel, 8 Minuten mit der Gondel und weitere fünf Minuten ins Hotel – Ankunft in der Hotel-Lobby: 2:39 Uhr.

Kasai-Mania und Lost-in-translation-Feeling

1796495_259330730907460_1569252045_n[1]Natürlich gibt es auch lustige Momente: Mein persönliches Highlight erlebe ich bei einem Skisprung-Training. Ein japanisches Fernsehteam will mich interviewen. Thema: natürlich Noriaki Kasai. „Do you know how old Noriaki Kasai is?“, fragt mich der Kollege lachend. „Yes, 41“, antworte ich. Er darauf: „And how old are you?“, überrascht er mich – doch nur kurz: „Much younger as you can see“, scherze ich und erhalte eine Lachsalve vom Mann am Mikrofon. „Please describe Noriaki Kasasi in one word“, bittet er mich später. Ich antworte: „I have three words for you: Olympic champion 2014”, sage ich ihm, was er hören will. Die nächste Lachsalve.

1897741_258466807660519_1676027753_n[1]Das Interview war für ihn ein Volltreffer – vielleicht hat er es jemandem erzählt. In den nächsten zwei Tagen gebe ich noch zwei Interviews für diverse japanische TV-Kanäle. Und beinahe sollte ich auch noch recht behalten: Kasai verpasst Gold auf der Großschanze nur um lächerliche 1,3 Punkte hinter Kamil Stoch und holte später mit dem Team auch noch Bronze.

Olympischer Geist im Österreich-Haus

Schauplatz Österreich-Haus, späterer Dienstagabend: Nachdem bereits die „versilberten“ ÖSV-Adler Gregor Schlierenzauer, Thomas Morgenstern, Thomas Diethart und Michael Hayböck begrüßt worden waren, trudeln plötzlich auch alle acht weiteren Medaillengewinner des Mannschafts-Skispringens ein.
Den Olympiasiegern aus Deutschland hat es in der Nacht davor im rot-weiß-roten Refugium bei einer gemeinsamen Party mit den österreichischen Konkurrenten bis in die frühen Morgenstunden so gut gefallen, dass sie kurzerhand noch einmal gekommen sind.

1609873_261356357371564_889846017_n[1]1966942_262266657280534_1155332585_n[1]Mit von der Partie sind diesmal aber auch die Japaner angeführt von Noriaki Kasai. Das Team aus dem Land der aufgehenden Sonne hat auf der Großschanze Bronze gewonnen. Zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden feiern die Skispringer gemeinsam, entgegen der oft übertrieben dargestellten sportlichen Rivalität, gerade zwischen Österreich und Deutschland, ihre Erfolge. Und aufgrund der Vorgeschichte hole ich mir auch noch den Herrn Kasai mit seinen zwei Medaillen an meine Seite.

Ein paar Tage später feiern auch die besonders sympathischen Nordischen Kombinierer ihr Bronze – und Bernhard Gruber zeigt, wie gut er auch mit der Gitarre umgehen kann:

 

Verzichtbarer Abschluss eines gelungenen Sportfests – Doping

Nach drei Wochen durcharbeiten und einem der erfolgreichsten Tage der ÖOC-Geschichte mit fünf Medaillen am letzten Samstag dieser Spiele stehen die Zeichen auf „ausklingen lassen“. Noch ein paar Bilanzen und Factboxes und dann – endlich – einmal eine der tollen Hallen im rund 40 km entfernten Sotschi sehen. Das Ticket für das Eishockey-Finale Kanada – Schweden liegt bereit, ich freue mich darauf. Doch es sollte anders kommen. Wir erhalten um 06.00 Uhr früh den Hinweis, dass Johannes Dürr gedopt war. Ich stoße zur kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Österreich-Haus und ab dann heißt es wieder: durcharbeiten bis 18.00 Uhr. Das Ticket fürs Eishockey muss verfallen. But that’s our job.

Abschluss-Essen, Gepäcksprobleme und die obligate Verkühlung

1959510_262881513885715_129169669_n[1]Montagmittag – man traut sich kaum die Anspannung der vergangenen Wochen abzulegen. Die Spiele sind vorbei, ein nettes Mittagessen mit den Kollegen soll dies untermauern. Check-in am Flughafen und warten: Bereits im Flugzeug sitzend erfahren wir, dass leider nur zwei (!) Personen zum Beladen des Charterflugzeugs zur Verfügung stehen.1:45 Stunden verspätet erfolgt der Start und nach nur einer Stunde kündigt sich an, was ich drei Wochen erfolgreich abwehren konnte – die obligate Verkühlung. favicon
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